John Sinclair - 0998 - Die Welt der verlorenen Kinder (1 of 2) by Jason Dark

John Sinclair - 0998 - Die Welt der verlorenen Kinder (1 of 2) by Jason Dark

Autor:Jason Dark [Dark, Jason]
Die sprache: deu
Format: epub


*

David Goldman saß in seinem Bett, als hätte ihn die Kälte zu Eis erstarren lassen. Er konzentrierte sich auf den Gesang, auf die Stimmen, und er versuchte dabei, jemanden zu sehen.

Nein, da war nichts.

Aber das Lied war da. Es umschwebte ihn. Er hörte immer wieder denselben Refrain. Sie sangen es im Chor, nur war es für David kein richtiger Chor, denn er hörte sich anders an. Da war nicht so ein großes Durcheinander, denn diese Stimmen hatte niemand trainiert. Sie sangen immer weiter, schrill und auch kreischend. Mal lachten sie dabei, und es hörte sich schadenfroh an, wie bei jemandem, der endlich etwas erreicht hatte, auf das er schon lange hatte warten müssen.

»Christmas Day is Coming …«

Immer wieder und immer anders. Mal langsamer, dann schneller, mal höher, mal tiefer und in unterschiedlichen Rhythmen.

David kam nicht mehr zurecht. Er saß noch immer an derselben Stelle im Bett und schaute sich um, da die Stimmen aus unterschiedlichen Ecken zu kommen schienen.

Sie umtanzten und umkreisten ihn. Sie wurden lauter, dann wieder leiser, aber ihnen blieb der böse Unterton erhalten.

Seine Schwäche hatte der Junge vergessen. Er hockte im Bett und schaute sich um. Dabei drehte er sich sogar, ohne den Platz zu verlassen. Er holte scharf Luft. Abgehackt klang sein Atmen. Er wollte auch etwas sagen, aber er kriegte keinen Ton heraus.

Die Stimmen blieben. Die Stimmen sangen. Sie sägten als schrille Laute in seine Ohren hinein und malträtierten ihn, als wollten sie den Inhalt seines Kopfes in Stücke schneiden.

Mit dem Begriff Folter konnte der Zehnjährige nichts anfangen. Was er allerdings im Bett sitzend und allein in seinem Zimmer erlebte, das kam einer Folter gleich.

Tränen rannen über sein Gesicht. Er stöhnte leise. Er wollte nach seiner Mutter rufen. Es war nicht zu schaffen. Etwas drückte ihm die Kehle zu.

Sein Mund bewegte sich. Die Zähne schlugen aufeinander und hinterließen klappernde Geräusche. David bewegte fahrig seine Hände, als könnte er die unheimlichen Sänger doch irgendwo zu fassen bekommen, was aber nicht möglich war.

Die Stimmen sangen weiter. Dazwischen hörte er das böse Gelächter.

Es war verrückt. Sie sangen über Weihnachten, aber es hörte sich an, als wäre dieses Lied dem Teufel geweiht.

Die Angst steigerte sich. David schüttelte den Kopf. Er schloß die Augen, die Stimmen hörten sich danach nur noch lauter an. Er bewegte sich hektisch in seinem Bett, bis er sich herumwarf, in Bauchlage geriet und das Gesicht in den Kissenberg drückte, so tief, daß selbst seine Ohren davon abgeschirmt wurden.

Er konnte und wollte die verdammten Stimmen nicht mehr hören. Sie machten ihn fertig. Sie quälten ihn. Sie zeigten ihm nur, wie schwach er war.

Das Lied hatte er immer gern gehört, oft gesungen, aber jetzt nicht mehr.

Er hatte so schreckliche Angst. Sie hockte in ihm. Sie peitschte ihn hoch.

Sie würde nicht weichen, aber sie würde schlimmer, viel schlimmer werden, das wußte er.

David hatte sein Gesicht so tief in das Kissen hineingedrückt, daß er kaum noch Luft kriegte. Und das hatte Folgen. Was da in seinem Kopf hämmerte, konnten die Echos der eigenen Herzschläge sein, aber genau wußte er das auch nicht.



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